Bronzetür Gefahren und Kreatur, 1974/1976
Im Gegensatz zu den klassisch beherrschten Reliefs von Werner Stötzer schwelgt das von seinem Mentor Waldemar Grzimek entworfene Südportal in geradezu barocker Fülle. Obschon thematisch ähnlich gelagert, verzichtet Grzimek auf kühles Kalkulieren und lässt an seiner Wertung bezüglich der dargestellten Szenerien keinen Zweifel. Bezüglich der Deutung sollte man dem Hinweis des Bildhauers folgen, dass er "niemals ein christliches Portal" habe schaffen wollen. Gleichwohl benutzt er tradierte, auch christlich geprägte Bilder. Im oberen Bogenfeld stellt Grzimek einen Kampf zwischen Löwe und Stier dar, indem auch noch eine Schlange involviert ist. In der persischen, vorchristlichen Kunst gilt der Löwe, der einen Stier schlägt, als Bild für das neue Jahr. Grzimek zeigt das Paar als gleichberechtigt Kämpfende, als rundes, durch die Schlange (Laokoon) zusätzlich miteinander verbundenes Knäuel, als ein Zeichen für den nicht endenden Kampf der Kreatur mit sich selbst, der über aller Menschengeschichte sich dreht. Links, zu Seiten des von einer Mistel gekrönten, verdorrten Baumes, sind Szenen von Krieg, Gewalt und sozialem Elend dargestellt, rechts, zu Seiten eines grünenden Baums, der Kreislauf des Lebens. Er reicht vom Kind über das - noch getrennte - Paar von Hirtenknabe und sexuell erwachendem Mädchen, ein weiteres Paar mit einem kleinen Kind und die alte Frau. Beide Welten sind aber nicht eigentlich getrennt, sondern zwei Seiten einer Tür, wenn man so will. Die Alte sieht den Gefolterten, der Hirt hat Blickkontakt mit einem der Männer an der Mülltonne. Letztlich scheinen auch der grünende und der verdorrte Baum nur zwei Hälften eines Baumes zu sein. Die merkwürdigen Wesen, die mit ihren Mäulern die Griffmulden der Tür bilden, sind auf Grund eines Hinweises auf einer Skizze Grzimeks als Fische gedeutet worden. Im allgemeinen Zusammenhang und auf Grund ihrer Gestalt nahe liegend, scheinen sie jedoch eher Schlangen darzustellen, in diesem Fall als durchaus positiv zu deutende Symbole der durch das Universum kreisenden Urenergie.
Über den Künstler
Waldemar Grzimek (* 5. Dezember 1918 in Rastenburg, Ostpreußen; gestorben 26. Mai 1984 in West-Berlin) war ein deutscher Bildhauer, der sowohl in der DDR als auch in der Bundesrepublik Deutschland wirkte.
FAMILIE
Grzimek entstammte einer alten schlesischen Familie und war der Sohn des Juristen Günther Grzimek und der Emmy Jansen aus Bonn. Sein älterer Bruder Günther war ein bekannter Landschaftsarchitekt.
In erster Ehe heiratete Grzimek am 17. September 1941 in Berlin-Schöneberg die Malerin und Keramikerin Christa von Carnap (* 16. August 1921 in Görlitz, Niederschlesien), Tochter des Alfred von Carnap, Kaufmann in Berlin-Wilmersdorf, und dessen erster Ehefrau Susanne Schindler. Grzimeks erste Ehe wurde um 1950 geschieden. Christa Grzimek, geborene von Carnap, heiratete in zweiter Ehe 1950 in Berlin den Bildhauer Fritz Cremer.
In zweiter Ehe heiratete Grzimek 1962 Lydia Schumann (* 1927).
Aus der ersten Ehe stammen die Tochter Sabina und Sohn Tomas, aus der zweiten Ehe die Tochter Jana. Beide Töchter wurden wie der Vater Bildhauerinnen, sein Sohn ist Keramiker.
Bedingt durch die Tätigkeit seines Vaters als Abgeordneter des Preußischen Landtags zog die Familie 1925 nach Berlin, wo sein Vater eine neue Anwaltspraxis eröffnete.
Waldemar Grzimek begann 1929, elfjährig, mit dem Modellieren von Tieren im Zoologischen Garten von Berlin. Dort traf er auf den Bildhauer Hugo Lederer, Professor an der Berliner Akademie der Künste, der Grzimek das Bauen von Gerüsten für Plastiken beibrachte. In seiner frühen Schaffensphase entstanden hauptsächlich Tierplastiken. Sein erstes Werk war ein Wisentstier. Im Alter von 12 Jahren gewann er für seine Plastik einer Skyeterrier-Gruppe den ersten Preis auf einer Berliner Hundeausstellung. Großes Aufsehen erregte der damals 15-jährige Grzimek 1933 mit seinen Plastiken auf einer Ausstellung in der Akademie der Künste. Ausgestellt wurden ein Nashorn, ein amerikanischer Büffel sowie die Skizze des Kopfes seines Vaters. Der Berliner Bildhauer und Professor Richard Scheibe äußerte sogar privates Interesse am Kauf der Nashornplastik.
Nach seinem Schulbesuch trat Waldemar Grzimek 1937 eine Steinmetzlehre bei der Philipp Holzmann AG an, bis er zum Studium der Bildhauerei bei Wilhelm Gerstel an der Hochschule für Bildende Künste Berlin zugelassen wurde, welches er 1941 beendete. Während des Kriegsdienstes bei der Kriegsmarine erhielt er 1942 den Rom-Preis und verbrachte einen Studienurlaub in der Villa Massimo. Nach Kriegsende bekam Grzimek 1946 einen Lehrauftrag an der Kunstschule Halle auf Burg Giebichenstein. Danach lehrte Grzimek von 1948 bis 1951 als Professor für Plastik an der Hochschule für Bildende Künste in Berlin-Charlottenburg und von 1956 bis 1961 als Professor für bildende und angewandte Kunst an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee. Bis zur Berufung zum Professor an die Technische Universität Darmstadt im Jahr 1968 wirkte Waldemar Grzimek als freischaffender Künstler in Berlin und Friedrichshafen. Im Jahr 1964 wurden Arbeiten von ihm auf der documenta III in Kassel in der Abteilung Skulptur gezeigt.
Waldemar Grzimek starb am 26. Mai 1984 in West-Berlin. Sein Grab befindet sich auf dem Berliner Friedhof Dahlem.
AUSZEICHNUNGEN
: 1959: Nationalpreis der DDR II. Klasse für sein Mitwirken am Buchenwalddenkmal
WERKE
Bildhauerische Werke
Grzimek hinterließ ein bedeutendes bildhauerisches, zeichnerisches, graphisches und auch schriftstellerisches Werk. Seine Arbeiten wurden in Galerien von Ost- und West-Berlin aufgestellt. In Berlin stammen das Heinrich-Heine-Denkmal am Weinbergsweg (1958, Zweitabguss 2002 in Berlin-Mitte) und die Brunnenanlage auf dem Wittenbergplatz (1985) von ihm. Ein weiteres Heinedenkmal schuf Grzimek für das Dichterviertel in Ludwigsfelde, das 1956 enthüllt wurde. Ferner ziert seine große Plastik Reiter auf strauchelndem Pferd den Stadtfriedhof in Biberach an der Riß und eine Bronzetür das Seitenschiff des Klosters Unser Lieben Frauen in Magdeburg (1976). Seine Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus verbildlichte Grzimek durch die Gestaltung der Buchenwaldglocke im Glockenturm des Konzentrationslagers Buchenwald (1958) und in Form eines Mahnmals für das Konzentrationslager Sachsenhausen (1960). Unter der Bezeichnung Studiensammlung sammelte Grzimek Berliner Kunst des 19. Jahrhunderts. Diese Sammlung wurde in mehreren Städten gezeigt.
(Quelle: de.Wikipedia.org)