Pferdetor, 1927
Wie der seit 2012 nach seinem Architekten benannte Albinmüller-Turm gehörte auch das heute funktionslos am Rande eines öden Parkplatzes stehende Pferdetor zum architektonischen Ensemble der Deutschen Theater-Ausstellung, die von Mai bis September 1927 an dieser Stelle stattfand und Magdeburg als Ausstellungsstadt nach der großen Zucker-Ausstellung 1925 für wenige Jahre auf diesem Feld auch internationale Aufmerksamkeit sicherte. In der Architekturgeschichte der Weimarer Republik stellt man die Architektur der Magdeburger Ausstellung heute seiner Bedeutung gemäß gemeinhin neben das ehemalige GeSoLei-Ensemble (Ehrenhof) in Düsseldorf und die Messebauten Adolf Abels in Köln. Nachvollziehen lässt sich das allerding nur noch anhand der überlieferten Fotodokumentation, denn nachdem 1944/45 das Ausstellungsgelände stark zerstört wurde (Stadthalle 90%, Ausstellungshallen 70%), ist lediglich die von Stadtbaurat Johannes Göderitz entworfene Stadthalle erneut aufgebaut und der nur leicht beschädigte Turm wieder hergestellt worden.
Das Pferdetor bildete ursprünglich den nördlich Abschluss des Ehrenhofs und war der Zugang zum anschließenden Vergnügungspark. In seiner Grundidee folgt es dem Löwentor, das Albinmüller (Albin Müller) 1914 für die dritte Ausstellung der Künstlerkolonie Darmstadt entworfen hatte und das 1926 seinen heutigen Standort auf der dortigen Rosenhöhe erhielt. Statt der Löwen, Wappentier des Großherzogtums Hessen, griff Albinmüller in Magdeburg auf das Sachsenross zurück, das Magdeburg zuletzt als Teil des Königreichs Westfalen unter Jérôme Bonaparte in der Fahne getragen, aber das bereits im frühen Stammesherzogtum als heraldisches Element eine Rolle gespielt hatte. Anders als beim Löwentor, dessen Durchgänge mit einem Querriegel schwerer Relieftüren wehrhaft abgeschlossen scheinen, springen in Magdeburg leichte runde Bögen als Durchgänge von Säule zu Säule. Um 90 Grad gedreht, erneuert und steigert sich diese Bewegung in den edel und spannungsvoll gebogenen Hälsen der in der Levade verharrenden Pferdeplastiken.
Wie wichtig Albinmüller sein Magdeburger Tor gewesen ist, belegt die Tatsache, dass er - wie beim Darmstädter Löwentor auch - die von der Bauleitung nicht bewilligten Mittel kurzerhand selbst einwarb. "Die Klinkerziegel für die Pfeiler bekam ich von der Ziegelfabrik geschenkt", schreibt er in seinen Lebenserinnerungen, "die Aufmauerung derselben besorgte unentgeltlich die Baufirma Gorgas und die Pferdeplastiken lieferte die Kieler Keramische Fabrik als Reklamestücke unentgeltlich. Zweimal - an Sonntagen - war ich in Kiel, um an dem naturgroßen Modell der Pferde, das nach meinem kleinen Modell hergestellt wurde, maßgebend mitzuwirken." Auf diese Weise kam Magdeburg zu seinem bedeutendsten bauplastischen Werk, das es heute aus den 1920er Jahren besitzt.
Über den Künstler
Albin Müller (vollständig: Albin Camillo Müller) (geboren 13. Dezember 1871 in Dittersbach (Erzgebirge); gestorben 2. Oktober 1941 in Darmstadt), auch unter seinem Künstlernamen Albinmüller bekannt, war ein deutscher Architekt, Pädagoge und Gestalter.
Müller absolvierte von 1884 bis 1887 in der Tischlerei seines Vaters eine Tischlerlehre. Als Geselle war er dann zunächst in verschiedenen Möbelfabriken und Tischlereien tätig, bevor er von 1893 bis 1897 an der Kunstgewerbeschule in Mainz und an der Kunstakademie in Dresden studierte. Nebenher arbeitete er als Möbelzeichner.
Auf der Ausstellung 'Heim und Herd' in Dresden erhielt er 1899 eine erste Auszeichnung für Innenarchitektur.
1900 wurde er Lehrer an der Kunstgewerbe- und Handwerkerschule Magdeburg. Mit ihm zog ein neuer künstlerischer Geist in diese Schule ein. Nach dem Zeichenunterricht übernahm er 1903 auch die Klasse für Metallgestaltung und Innenraum. 1905 wurde er Leiter der neu gebildeten Abteilung für Innenraum und Architektur. Ursprünglich im Jugendstil verwurzelt, fand er während seiner Lehrtätigkeit zu einer konstruktiven Gestaltung und einer strengen, tektonischen Ornamentik. Er schuf 1905 das später zerstörte Trauzimmer im Magdeburger Standesamt und das Stilzimmer der Neuzeit im 1906 eröffneten Kaiser-Friedrich-Museum.
Müller feierte mit seinen Möbelentwürfen internationale Erfolge. So erhielt er auf der Weltausstellung in St. Louis 1904 (Louisiana Purchase Exposition) für den Entwurf und die Ausführung eines Herrenarbeitszimmers (das so genannte Magdeburger Zimmer) den Grand Prix. Weitere Anerkennung erhielt er dort für künstlerische Gußeisenarbeiten (Briefbeschwerer, Leuchter etc.).
Er bildete sich in Magdeburg autodidaktisch zum Architekten weiter.
1906 wurde er an die Darmstädter Künstlerkolonie berufen, in der er nach Joseph Maria Olbrichs Tod (1908) zum führenden Architekten wurde. 1907 wurde er zum Professor ernannt, von 1907 bis 1911 war er Lehrer für Raumkunst am Großherzoglichen Lehratelier für angewandte Kunst. Die Darmstädter Künstlerkolonie löste sich während des Ersten Weltkrieges auf. Aus dieser Zeit (1906-1912) stammen auch zahlreiche bedeutende Entwürfe für die Jugendstilphase der Westerwälder Steinzeugindustrie. 1910 wurde ein Entwurf (Form und Dekor) von Albin Müller in der Burgauer Porzellan-Manufaktur, gegründet 1901 von Ferdinand Selle, ausgeführt. Das Tafel- wie auch Kaffee- und Teeservice trugen den Namen "Professor Müller". Der Entwurf der in Burgau (bei Jena) erfolgreich in Serie ging, war ein Jahr zuvor als nicht realisierbar in der Meißener Porzellanmanufaktur abgelehnt worden. 1910 jedoch wurden die Müllerschen Entwürfe mit großem Beifall zur Leipziger Herbstmesse aufgenommen, in Brüssel zur Weltausstellung gar mit einer Goldmedaille ausgezeichnet.
Seit 1917 verwendete er den Künstlernamen Albinmüller. Nach dem Ersten Weltkrieg veröffentlichte er viele Architekturpublikationen, betätigte sich als Maler und entwarf Siedlungshäuser.
1926 wurde er zum Architekten der Deutschen Theaterausstellung 1927 in Magdeburg berufen. Er entwarf das heute noch vorhandene Pferdetor und den Aussichtsturm Rotehornpark im Magdeburger Rotehornpark, sowie weitere nicht erhaltene Gebäude. 1928 betrieb Müller Studien zum Sakralbau und zu monumentalen Denkmälern. 1934 wandte er sich der Landschaftsmalerei zu und betätigte sich auch als Schriftsteller.
Die Städte Magdeburg und Darmstadt benannten den Albinmüllerweg nach ihm.
BAUTEN UND ENTWÜRFE
: Dankwarth & Richters Weinstuben in Magdeburg (1903/1904, zerstört)
: Sanatorium Dr. Barner in Braunlage (Harz) (1905, 1913?1914)
GEBÄUDE
: Gartenpavillon für die III. Deutsche Kunstgewerbe-Ausstellung Dresden 1906
: Ausstellungsgebäude für angewandte Kunst und Ausstellungsgebäude für Architektur in Darmstadt (1908, nicht erhalten)
: eigenes Wohnhaus in Darmstadt auf der Mathildenhöhe, Nikolaiweg 16 (1911?1912, zerstört)
: Wohnhaus Ramdohr in Magdeburg (1911?1912)
: Sanatorium Dr. Barner in Braunlage (Harz) (1908-1910 / 1911?1914)
: Wohnhaus Prof. Dr. Wedel in Magdeburg, Humboldtstraße 14 (1912)
: Wohnhaus Oppenheimer in Darmstadt im Paulusviertel, Roquetteweg 28 (1913?1914)
: Grabmal Hahn in Magdeburg (1913?1914)
: Wohnbebauung in Darmstadt auf der Mathildenhöhe, Olbrichweg (1913?1914, zerstört)
: Das zerlegbare und transportable Holzhaus auf der Mathildenhöhe in Darmstadt (1914)
: Krematorium in Magdeburg (1919) (?)
: Doppelhaus ?Neu-Ödernitz? (Fertighaus der Fa. Christoph & Unmack) in Niesky, Christophstraße 11/13 (1921)
: Umbau eines Geschäftshauses für die Deutsche Vereinsbank in Darmstadt, Neckarstraße (1923?1924)
: Wohnhaus (heutiges ?Bischof-Wienken-Haus?) in Dresden, Tiergartenstraße 74 (1925?1926)
: Aussichtsturm mit Café in Magdeburg, auf der Elbinsel Rotehorn (1927)
: Villa für Alois Winnar in Ústí nad Labem, Hanzlí?kova 4 (1930?1932) [1]
: Löwentor in Darmstadt (1914, 1927 verändert und transloziert)
: Boelcke- und Kriegerdenkmal auf dem Ehrenfriedhof in Dessau (1921) (zusammen mit dem Bildhauer Walter Kieser)
: Pferdetor in Magdeburg neben der Stadthalle (1927)
SCHRIFTEN
: Architektur und Raumkunst, 1909
: Werke der Darmstädter Ausstellung und anderer Arbeiten nach Entwürfen 1914, 1917
: Holzhäuser, 1921
: Neue Werkkunst, 1927
: Neuere Arbeiten, 1928
: Denkmäler, Kult- und Wohnbauten, 1933
: Aus meinem Leben (Manuskript), ca. 1940
: Heimatland, ca. 1940
(Quelle: de.Wikipedia.org)