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Königin Editha

Die erste Frau Ottos des Großen gilt als eine der wichtigsten mittelalterlichen Mitherrscherinnen. Bis zu ihrem frühen Tod gestaltete sie Ottos junge Regentschaft aktiv mit. Aus Quellen wissen wir, dass die Beziehung zwischen König und König deutlich mehr war als nur eine Zweckehe. Lag dies auch am Hochzeitsgeschenk? Als Morgengabe erhielt Editha von ihrem Gatten Magdeburg.

Herkunft

Editha (auch als Edgitha oder Eadgyth bekannt) erblickte 910 in Wessex das Licht der Welt. Ihr Großvater Alfred der Große gilt als einer der wichtigsten Wegbereiter eines vereinten England, ihr Halbbruder Æthelstans als einer der ersten englischen Könige. Editha war daher nicht nur aufgrund ihrer überlieferten Schönheit eine attraktive Ehekandidatin.

Wahre Liebe im Mittelalter!

Deswegen war es auch zuerst eine politische Hochzeit, die Otto und Editha zusammenbrachte. 929 reiste Editha gemeinsam mit ihrer Schwester Edgiva nach Sachsen. Der Sohn Heinrichs I. durfte sich aussuchen, mit welcher Prinzessin er vermählt werden wollte.

Doch was sich dann ereignete war für das Mittelalter (und eine arrangierten Ehe generell) sehr selten. Otto und Editha verliebten sich ineinander. Diese Beziehung war so innig, dass Ottos Chronist Thietmar von Merseburg ihr großen Platz in seiner Kaiserbiografie einräumte. Ein seltener und bemerkenswerter Einblick in die Gefühlswelt eines Herrschers im 10. Jahrhundert.

Editha begleitete ihren Gemahlen auf sämtlichen Reisen, unterstützte ihn in den anfänglich schlechten Zeiten und wurde von Otto als „mein Heiligtum“ bezeichnet. Zusammen zeugte das Königspaar eine Tochter und einen Sohn, namens Liutgard und Liudolf.

Für uns Magdeburger gibt es noch einen klareren Beweis von Ottos großer Liebe. Zur Hochzeit schenkte Otto Editha unsere Stadt als Morgengabe. Das muss Liebe gewesen sein!

Wirken

Im Anschluss an Ottos Krönung 936 erhielt Editha in einer gesonderten Zeremonie die Salbung zur Ersten Frau im Reich. In dieser Rolle übernahm sie als „Mitherrscherin“ mehrere administrative Aufgaben.

Editha mochte Magdeburg im Übrigen sehr, da es sie an ihre Heimat Winchester erinnerte. Deshalb überrascht es nicht, dass Otto I. und Editha am liebsten in Magdeburg residierten. Bei den Bürgern der Stadt war Editha sehr populär, da sie sich den Armen und Kranken gegenüber stets großzügig zeigte. Dies brachte ihr beim Volk die Beinamen „Königin der Herzen“ und „Heilige Editha“ ein. Fraglos kann Sie in die Reihe gefeierter Personen wie Katharina von Aragon, Elisabeth Stuart, Königin Luise von Preußen oder Lady Diana eingeordnet werden.

Ableben und Begräbnis

Bereits 946 verstarb Editha unerwartet mit gerade einmal 36 Jahren in Magdeburg. Otto I. trauerte sehr um seine geliebte Gemahlin und erklärten ihren Todestag zum jährlichen Gedenkfeiertag. Beigesetzt wurde Editha zunächst im Mauritiuskloster Magdeburg. Die Leichname des Ehepaares wurden zu Beginn des 13. Jahrhunderts in den Neubau des gotischen Doms überführt.

Nachwirkung

Bis heute ranken sich über Edithas Anmut und Gütigkeit zahlreiche Legenden, die von Generation zu Generation überliefert wurden. Neben ihrer Ruhestätte befindet sich im Dom eine gotische Statue, welche sie an der Seite Otto I. abbildet. Zudem ist ihr ein Denkmal auf der Ostseite des Fürstenwalls gewidmet und sie wird durch eine Traubeneiche aus dem Nordwesten Englands am Frauenort repräsentiert. Des Weiteren ist das „Magdeburger Editha-Fest“ seit einigen Jahren ein wichtiger Bestandteil des populären Kaiser-Otto-Festes.

Wer noch mehr über Editha erfahren will, sollte unbedingt dem Ottonianum einen Besuch abstatten. Das Dommuseum behandelt Otto I. und seine erste Gemahlin nicht nur als Schwerpunkt der Ausstellung, sondern bietet zudem diverse Kalt- und Heißgetränke im „Café Editha“ an.

Wo ist Editha begraben?

2008 kam es zu einer wahren Sensation! Bei Ausgrabungen im Magdeburger Dom entdeckten Archäologen in Edithas mutmaßlichen Scheingrab einen Bleisarg mit der Aufschrift:„Die geborgenen Reste der Königin Edith sind in diesem Sarkophag…“. Bis dahin war angenommen worden, dass der steinerne Sarkophag von 1510 lediglich an Editha erinnern sollte. Deutsche und englische Spezialeinrichtungen konnten anschließend durch komplizierte Verfahren tatsächlich nahezu zweifelsfrei die Gebeine im Sarg als die Edithas. feststellen.

Am 22. Oktober 2010 wurden die letzten Überreste der mittlerweile über 1000 Jahre verstorbenen Königin in einen kunstvollen Titansarg gebettet und erneut im 500 Jahre alten Steinsarkophag beigesetzt. Somit liegt sie nun auch offiziell an der Seite ihres Otto im Magdeburger Dom begraben. Damit erfüllt sich  dessen auf dem Sterbebett geäußerter Wunsch, neben seiner ersten Gemahlin bis in alle Ewigkeit ruhen zu können.

Forschung zu den aufgefundenen sterblichen Überresten Edithas

Forschung zu den aufgefundenen sterblichen Überresten Edithas

"EDIT REGINE CINERES HIC SARCOPHAGVS HABET..." / "Die geborgenen Reste der Königin Edith sind in diesem Sarkophag...."

- die Inschrift von 1510 scheint nun bestätigt. In dem Bleisarg, der Ende 2008 bei der Forschungsgrabung im Magdeburger Dom unter der Leitung von Rainer Kuhn (Stiftung Dome und Schlösser in Sachsen-Anhalt) im angeblichen Kenotaph der Editha aufgefunden wurde, sind mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit tatsächlich die sterblichen Überreste der Königin zur vorerst letzten Ruhe gebettet worden.

Nach der spektakulären Auffindung und Bergung der Bestattung wurden umfangreiche Untersuchungen in verschiedenen Labors in Deutschland und England durchgeführt, die nun die Zuweisung mehr als wahrscheinlich machen. Aufgrund der hohen, auch internationalen Bedeutung des Fundes wurde eine Forschergruppe aus anerkannten Experten zu den verschiedenen Fundgruppen, wie Knochen, Textilien, Metalle, Pflanzen- und Insektenresten zusammengestellt. Die grundlegenden naturwissenschaftlichen Untersuchungen sind beendet - nun können zentrale Fragen beantwortet werden. Die vordringlichste davon: Befinden sich im Sarg tatsächlich die Gebeine der Königin Editha, der Enkelin Alfreds des Großen, des berühmtesten sächsischen Königs von England? Editha war im Alter von 19 Jahren aus Wessex nach Magdeburg gekommen, wo sie Otto den Großen heiratete und 946 im Alter von 36 Jahren verstarb. Beigesetzt wurde sie historischen Quellen zufolge ursprünglich im Mauritiuskloster in Magdeburg.

Die anthropologischen Untersuchungen der Gebeine selbst wurden durch das Team um Prof. Dr. Kurt W. Alt von der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz durchgeführt. Geschlecht, Alter und Lebensumstände der Toten lassen sich genau zu dem Bild, das uns durch literarische Quellen zu Editha überliefert ist, zusammenfügen. So stammen alle Knochen im Bleisarg von einem einzigen Individuum. Morphologische und metrische Analysen des Skeletts ergaben, dass es sich um eine zwischen 30 und 40 Jahre alte Frau von ungefähr 1,57 m Größe handelte. Im Alter zwischen 10 und 14 Jahren erlittene Infektionskrankheiten oder Zustände von Mangelernährung haben als Stressmarker Spuren an den Knochen hinterlassen. Der erhaltene Gelenkkopf des Oberschenkels weist eine deutliche Reiterfacette auf, wie sie bei den Lebensumständen einer Adligen zu erwarten ist. Das Fehlen kompletter Teile der Bestattung - der Füße, Teile der Hände und vor allem des Schädels, von dem lediglich der Oberkiefer erhalten ist - ist nicht mit dem Erhaltungszustand des Skelettes zu erklären. Möglicherweise sind diese Fehlstellen auf den Reliquienhandel oder auf Volksfrömmigkeit im Mittelalter zurückzuführen.

Die Strontium- und Sauerstoffisotopenanalyse, die anhand der in den Knochen abgelagerten chemischen Signale Auskunft über die Aufenthaltsorte der untersuchten Person geben kann, hat weitere, bemerkenswerte Ergebnisse zur Lebensgeschichte der bestatteten Frau erbracht. Isotopenuntersuchungen wurden in zwei Laboren, an der Universität Mainz durch Corina Knipper und der Universität Bristol durch Dr. Alistair Pike durchgeführt. Beide gelangten unabhängig voneinander zum gleichen Ergebnis: Die Frau, die im Edithasarg bestattet wurde, ist im südenglischen Wessex in der Gegend von Winchester aufgewachsen. Die Untersuchungen in Bristol konnten zudem durch die Anwendung der speziellen Technik der Laser Ablation dieses Ergebnis noch präzisieren: „Gemessen wurden die Strontium-Isotope in winzigen Proben des Zahnschmelzes. Diese Mikro-Beprobung“, so Alistair Pike, “erlaubt es uns, an den Sequenzen jahresringgleich die Aufenthaltsorte der untersuchten Personen bis zu einem Alter von 14 Jahren zu ermitteln.“ Laut Prof. Dr. Mark Horton (University of Bristol, Department of Archaeology and Anthropology) lassen sich die Ergebnisse dieser Untersuchung zweifelsfrei mit den Stationen der Kindheit und Jugend Edithas in Wessex verknüpfen: „Editha scheint die ersten acht Jahre ihres Lebens in Südengland verbracht zu haben, allerdings wechselte sie häufig den Aufenthaltsort. Erst ab einem Alter von ca. 9 Jahren bleiben die Isotopenwerte konstant. Editha muss in der Gefolgschaft ihres Vaters, König Edwards des Älteren, während dessen Regentschaft im Reich umhergezogen sein. Als die Mutter 919 geschieden wurde – also Editha zwischen 9 und 10 Jahre alt war – wurden beide in ein Kloster, vielleicht Winchester oder Wilton bei Salisbury, verbannt.“ Zudem haben die Mainzer Analysen gezeigt, dass die untersuchte Person hochwertige Nahrung zu sich genommen hat. Damit passt sie in das Raster, das für die Mitglieder der Magdeburger Oberschicht des Mittelalters im Vergleich nachgewiesen wurde. Auffällig ist der hohe Anteil von tierischen Proteinen und Fisch, der auch durch die Befolgung der christlichen Nahrungsgebote zu erklären ist. Für den hohen Anteil des Verzehrs von weichen Nahrungsbestandteilen sprechen außerdem die geringen Abrasionsspuren des ursprünglich komplett erhaltenen Gebisses.

Aufgrund des hohen Fischanteils in der Nahrung, der die Zusammensetzung der Kohlenstoffisotopen im Knochen beeinflusst, trat bei der C14-Datierung der Kollagenproben die bereits im Vorfeld vermutete Abweichung des Datensatzes auf: Beide Labore, Kiel (Leibniz-Labor für Altersbestimmung und Isotopenforschung der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Prof. Dr. P. M. Grootes und Dr. J.-M. Nadeau) und Mannheim (Klaus-Tschira-Labor für Physikalische Altersbestimmung, Dr. B. Kromer), kamen grundsätzlich zum selben Ergebnis: Die Proben erscheinen ca. 200 Jahre älter als das von Editha überlieferte Todesdatum, was sehr gut durch die genannten Ernährungsgewohnheiten erklärt werden kann.

Doch nicht nur die Resultate der Untersuchungen der Knochen sprechen allesamt für die namentliche Zuweisung der sterblichen Überreste an Editha. Auch die Analysen des weiteren Sarginhalts, des Bleisarges selbst und die archäologischen Nachforschungen im Magdeburger Dom fügen sich lückenlos in diese Indizienreihe ein.

Die archäologische Untersuchung des Fundaments unter dem angeblichen Kenotaph der Editha im Chorumgang des gotischen Doms durch das Team um Rainer Kuhn hat gezeigt, dass hier mehrere Bestandteile früherer Grabanlagen bewusst wieder verbaut wurden. Dies ist der Beleg dafür, dass es sich tatsächlich um die auch schriftlich bezeugte Memoria der Königin Editha handelt. Das älteste Relikt früherer Bestattungen ist ein einfacher Sandsteinsarkophag, der durchaus der ersten Bestattung des 10. Jhs. zugeschrieben werden könnte und mehrmals geöffnet wurde, wie verschiedene Mörtelschichten am oberen Abschluss des Sarkophages, wo der Deckel aufsetzte, belegen. Neben weiteren möglichen zwischenzeitlichen Umbettungen wurden die Überreste der Editha sicher nach dem Dombrand 1207 in den Chorumgang des gotischen Neubaus verbracht. Indizien hierfür sind die Maßwerkfragmente aus dem zweiten Viertel des 13. Jhs., die neben dem älteren Sandsteinsarkophag im Fundament eingemauert wurden. 1510 schließlich wurde der inschriftlich datierte Bleisarg gefertigt und in den aufwändig gestalteten neuen Steinsarkophag mit Reliefplatte gebettet.

Auch die C14-Analysen der Textilien aus dem Leibniz-Labor der Universität Kiel sprechen für eine mehrfache Umbettung. Mehrere Lagen von Stoffresten konnten beprobt und so mit verschiedenen Wiederbestattungen in Verbindung gebracht werden. Die dabei erzielten Daten decken genau diesen Zeitraum zwischen dem 10. bis 16. Jh. ab. Dr. Heinrich Wunderlich, Leiter der Restaurierungsabteilung des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie in Halle, hat die Farbstoffe der verwendeten Textilien untersucht: Einige Stoffe wurden mit Kermes rot gefärbt, dem wertvollsten Farbstoff des Mittelalters. Dies und die Tatsache, dass es sich zum Teil um höchstwertiges seidenes Samitgewebe handelt, weisen eindeutig auf eine königliche Bestattung hin. Das Blei des Sargs wurde im Harz gewonnen, vermutlich am Rammelsberg bei Goslar. Im Sarg fanden sich zwischen Knochen und Textilien zahlreiche Insektenreste, bei denen vor allem das massenhafte Vorkommen des Laufkäfers Harpalus rufipes auffällig ist. Diese Käfer müssen durch Fackelschein oder eine ähnliche Beleuchtung und den hellen Stoff im Bleisarg angelockt worden sein, als dieser zumindest für kurze Zeit vor der Umbettung 1510 nachts offen im Freien gestanden hatte. Ebenfalls im Inneren wurden Haferkörner entdeckt, die offenbar von einem mit Textil ummantelten Spelzenkissen stammen, auf dem die Tote gebettet wurde. Kleine Fragmente des Sadebaums belegen, dass die Verstorbene mit immergrünen Zweigen von dieser für mittelalterliche Klostergärten bedeutsamen Zier- und Heilpflanze geschmückt worden war. Es scheint, als wäre die Verstorbene auch zur Umbettung 1510 noch einmal besonders geehrt worden und in ihrer Stadt und Gemeinde hoch angesehen gewesen.

Eine Vielzahl voneinander unabhängiger Indizien, wie die biologischen Merkmale, Lage und Ort der Bestattung, die Inschrift auf dem Bleisarg sowie die hohe Qualität der gefundenen Textilreste reihen sich aneinander und verdichten so den zu beweisenden Sachverhalt. Die wichtigste Frage ist beantwortet, doch die Forschung zur Bestattung der Königin und deren Kontext wird die interdisziplinäre Expertengruppe sicherlich auch die nächsten Jahre noch beschäftigen.

Die Ausgrabungen im Magdeburger Dom werden in Kooperation zwischen der Stiftung Dome und Schlösser in Sachsen-Anhalt, dem Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und der Landeshauptstadt Magdeburg durchgeführt. Die Grabungen finden seit 2006 statt. Grabungsleiter ist Rainer Kuhn. Die Erforschung der Geschichte des Magdeburger Doms liegt in den Händen einer interdisziplinären Forschergruppe unter der Leitung von Prof. Dr. Wolfgang Schenkluhn (Institut für Kunstgeschichte, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg).

Quelle: Landesmuseum für Vorgeschichte

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