Dr. Willi Polte
Polte, Wilhelm, Dr.-Ing.
geb.: 11.01.1938 in Niegripp
Kommunalpolitiker
Oberbürgermeister von Magdeburg von 1990 - 2001
Nach dem Besuch der Grundschule und dem verwehrten Zugang zur Oberschule erlernte P. im väterlichen Betrieb den Beruf eines Maschinenschlossers. Unmittelbar daran schloss sich von 1955 bis 1958 ein Ingenieurstudium mit nachfolgender Betriebstätigkeit als Jung-Ingenieur in einem Leipziger Großbetrieb des Landmaschinenbaus an.
Ab 1960 absolvierte P. ein fünfjähriges Hochschulstudium an der Technischen Universität Dresden. Nach dem Erwerb des Diploms setzte er seine Betriebstätigkeit in dem Leipziger Unternehmen fort. 1968 zog er nach Magdeburg und war nun im „Wissenschaftlich-Technischen Zentrum für Getriebe und Kupplungen“, Bereich technologische Grundsatzfragen, tätig. Nach zehn Jahren wechselte P. an die Technische Hochschule (seit 1987 Universität) „Otto von Guericke“ Magdeburg; er übernahm hier Lehr- und Forschungsaufgaben im Fachbereich „Technologie der metallverarbeitenden Industrie“. In dieser Zeit promovierte er zum Dr.-Ing.
1989 gehörte P. zu den Initiatoren zur Gründung der „Sozialdemokratischen Partei in der DDR“ (SDP) und wurde im Herbst 1989 in Personalunion deren 1. Vorsitzender im Bezirk und in der Stadt Magdeburg. Bereits 1960 hatte er (konspirativ) im Ostbüro der SPD in West-Berlin einen Antrag auf Mitgliedschaft in der SPD gestellt, um seine politischen Grundpositionen zu manifestieren.
P. hatte großen Anteil an der Gründung des „Runden Tisches der Stadt Magdeburg“ am 5. Dezember 1989, dem er bis zu seiner Auflösung im Mai 1990 als Vertreter der SDP/SPD angehörte. Mit der ersten freien Volkskammerwahl am 18. März 1990 wurde er Volkskammerabgeordneter.
Nach den Kommunalwahlen im Mai 1990, aus der in Magdeburg die SPD als stärkste Fraktion hervorging, wurde P. zum Oberbürgermeister Magdeburgs gewählt. Das Amt hatte er über 11 Jahre inne. In dieser Zeit war er Mitglied des Präsidiums des Deutschen Städtetages, 1. Vizepräsident und ab 1994 bis 2001 Präsident des Städte- und Gemeindebundes Sachsen-Anhalt.
In Verbindung mit dem Hauptamt als Oberbürgermeister stand die Arbeit in verschiedenen Gremien wie Verwaltungsräten, Aufsichtsratsvorsitzen, Kuratorien, Stiftungsbeiräten sowie in ehrenamtlichen bürgerschaftlichen Initiativen.
Anlässlich der Verabschiedung aus seinem Amt als Oberbürgermeister erhielt P. am 10. August 2001 das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse. Seinen 65. Geburtstag im Januar 2003 nahm der Magdeburger Stadtrat zum Anlass, ihm das Ehrenbürgerrecht zu verleihen. Er würdigte damit sein großes Engagement, seine Sachkenntnis und Durchsetzungskraft, die er als erster frei gewählter Oberbürgermeister nach dem Aufbruch und Umbruch ab 1989/90 bei der Neuorientierung der Gesellschaft zeigte. Unter seiner Verantwortung hatte die Stadt die tiefgreifende Umstellung von der bisherigen Gesellschafts-, Wirtschafts- und Rechtsordnung in ein grundverschieden anderes Gesellschaftsmodell gemäß dem Grundgesetz des nunmehr vereinten Deutschlands gemeistert.
P. rang leidenschaftlich und erfolgreich darum, dass Magdeburg die Hauptstadt des wiedererstandenen Bundeslandes Sachsen-Anhalt wurde. Er kämpfte unermüdlich um die Schaffung optimaler Rahmenbedingungen für alle wirtschaftliche Tätigkeit, so die Entwicklung und Erschließung neuer Gewerbegebiete, Ansiedlung neuer Unternehmen und Unterstützung vorhandener Unternehmen. Ebenso gehörten dazu die Sanierung, Modernisierung und Erneuerung aller Ver- und Entsorgungssysteme sowie der Ausbau und die Erneuerung von Straßen und Brücken. Seine Visionen vom Wiederaufbau der Johanniskirche und von der Durchführung der 25. Bundesgartenschau in Magdeburg erfüllten sich.
Die erheblichen Investitionen in die Erneuerung der Innenstadt und vieler Wohnbereiche in den Stadtteilen sowie in den Kultur-, Sozial- und Bildungsbereich trugen zu einer Hebung des Images von Magdeburg bei.
P.s gesellschaftliches Engagement währte nach seinem Ausscheiden aus dem Amt des Oberbürgermeisters fort und hält bis heute an. 2001 wählten ihn die Einwohnerinnen und Einwohner seines Geburtsortes Niegripp, heute Ortsteil der Stadt Burg, zum Ortsbürgermeister. Dieses Amt übte er acht Jahre ehrenamtlich aus. Von 2002 bis 2006 war er Abgeordneter des Landtags Sachsen-Anhalt, Vorsitzender des Innenausschusses sowie kommunalpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion. Die von ihm nachdrücklich vertretene Notwendigkeit einer Gemeindereform wurde schließlich in der 5. Wahlperiode des Landtages umgesetzt.
P. ist verheiratet und hat zwei Kinder. Nach wie vor ist er tief in Magdeburg verwurzelt und nimmt am gesellschaftlichen Leben aktiv teil. Sein viel zitierter und bereits legendär gewordener Ausspruch „Die Liebe zur Stadt muss aus jedem Knopfloch kommen“ ist ein Ausdruck dessen.
Polte, Wilhelm: Angaben zur Kurzbiographie, Manuskript, März 2012; ders.: Aussage gegenüber der Verfasserin v. 30.11.2007; http://www.magdeburg.de; http://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_Polte; Interfraktioneller Antrag A0124/02 v. 24.10.2002.
Maren Ballerstedt