Heinrich Eduard von Flottwell
Flottwell, Heinrich Eduard von (seit 1861)
geb. 23. Juli 1786 in Insterburg, gest. 25. Mai 1865 in Berlin,
Jurist, Oberpräsident der Provinz Sachsen, Königlich preußischer Wirklicher Geheimer Rat.
F. stand in seiner annähernd 60-jährigen Dienstzeit insgesamt fünf preußischen Provinzen als Oberpräsident vor. Doch zunächst hatte der Sohn eines Justizkommissars und Kriminaldirektors nach dem Schulabschluss in Tilsit an der Universität Königsberg Rechtswissenschaften studiert, um die Justizlaufbahn einzuschlagen. Im Februar 1805 trat er in den Justizdienst ein, zuerst beim Hofgericht und 1808 als Assessor beim Oberlandesgericht seiner Geburtsstadt. Auf Empfehlung des Oberpräsidenten Theodor von Schön (1773-1856), der ihn weiterhin fördern sollte, trat er 1812 als Regierungsrat und Justitiar bei der Regierung in Gumbinnen in den Verwaltungsdienst über. Während der Befreiungskriege war er vorübergehend in Danzig eingesetzt. 1825 wurde er zum Regierungspräsidenten in Marienwerder ernannt. Durch sein hervorragendes Organisationstalent machte er sich hier bei der Bekämpfung der Hungersnot von 1827 und der Wassernot in den Weichselniederungen 1829 einen Namen.
Nach Ausbruch des polnischen Aufstandes 1830 gegen das zaristische Russland unter Führung des polnischen Adels ernannte der preußische König F. zum Oberpräsidenten des auch bedrohten Großherzogtums Posen, das seit 1815 als Provinz zu Preußen gehörte und einen starken polnischen Bevölkerungsanteil besaß. Als Reaktion auf das Verhalten des polnischen Adels in der nationalen polnischen Bewegung vertrat die preußische Regierung eine straffe Germanisierungspolitik. F. befürwortete diese Polenpolitik Preußens und hatte sie umzusetzen.
1832 wurde zum Beispiel Deutsch als alleinige Sprache in allen Verwaltungsangelegenheiten in der Provinz Posen bestimmt. Vertreter des polnischen Adels wurden nach und nach aus der Verwaltung gedrängt. 1841 verfasste F. eine Denkschrift über die Verwaltung des Großherzogtums Posen vom Dezember 1830 bis zum Beginn des Jahres 1841, in der er die Grundzüge seiner Tätigkeit aus seiner Sicht darlegte. Am 20. Dezember 1840 wurde F. – seit jenem Jahr Wirklicher Geheimer Rat mit dem Prädikat „Exzellenz“ - zum Oberpräsidenten der Provinz Sachsen in Magdeburg ernannt. Das Amt trat er 1841 an. In den folgenden drei Jahren erwarb er sich hier Verdienste bei der Förderung der Wirtschaft, insbesondere der Landwirtschaft. Auch überregional war er tätig; so stellte er seine organisatorischen Fähigkeiten zur Bekämpfung der Folgen des großen Stadtbrandes vom Mai 1842 in Hamburg, bei dem 20 000 Menschen ihr Obdach verloren, zur Verfügung. Die Hansestadt dankte es ihm ein Jahr später mit der Verleihung der Ehrenbürgerschaft.
Im Mai 1844 wurde er zum preußischen Staats- und Finanzminister berufen. Der Abschied aus Magdeburg veranlasste die Stadt, ihm als Dank für sein Interesse am Gemeinwohl ihr Ehrenbürgerrecht zu verleihen. Das Ministeramt in Berlin nahm er zwei Jahre wahr. In diese Zeit fielen u. a. die Eröffnung der ersten deutschen Gewerbeausstellung aller Zollvereinsstaaten 1844 und der Erlass der preußischen Gewerbeordnung von 1845. Im Jahr 1846 wurde er Oberpräsident der Provinz Westfalen.
Bei den Wahlen zur Frankfurter Nationalversammlung zwei Jahre später erhielt er ein Mandat aus dem Wahlkreis Oschersleben in der Provinz Sachsen. In der Nationalversammlung gehörte er der Fraktion der äußersten Rechten an.
1849 vertrat er Posen in der ersten preußischen Kammer. Kurzzeitig leitete er die Verwaltung der Provinz Preußen.
1850 wurde er Oberpräsident der Provinz Brandenburg. Von Oktober 1858 bis Anfang Juni 1859 war er preußischer Innenminister, legte das Amt aber aus gesundheitlichen Gründen nieder und nahm wieder das Amt des Oberpräsidenten von Brandenburg wahr. 1861 wurde er in den preußischen Adelsstand erhoben und erhielt zugleich den schwarzen Adlerorden. Ende 1862 trat er in den Ruhestand und lebte bis zu seinem Tod in Berlin.
Ab 1862 gehörte er der Gesetzlosen Gesellschaft zu Berlin an, einem Herrenklub, der sich Tradition, Wissenschaft und Kultur verpflichtet fühlt.
F. war zweimal verheiratet. Nach dem Tod seiner ersten Ehefrau Friederike geb. Koslowski (gest. 1813) heiratete er 1814 in Königsberg die Witwe Auguste Schultz geb. Lüdecke (1796-1862), Tochter eines Pfarrers.
http://www.deutsche-biographie.de/sfz52954.html; http://de.wikisource.org/wiki/ADB:Flottwell,_Eduard_von; Heinrich, Guido/Schandera, Gunter (Hg.): Magdeburger Biographisches Lexikon 19. und 20. Jahrhundert, Magdeburg 2002; Schaller, Helmut Wilhelm: Die „Reichsuniversität Posen“ 1941-1945. Vorgeschichte, nationalsozialistische Gründung, Widerstand und polnischer Neubeginn, Frankfurt/ Main 2010; Stadtarchiv Magdeburg, Rep. A II B 27 spec. 5 Bd. 1.
Maren Ballerstedt